Hintergrund

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Die Atherosklerose ist eine chronische Erkrankung der Arterien und führt zusammen mit der Atherothrombose zu klinisch häufig ohne Vorwarnung auftretenden Ereignissen wie Herzschlag und Hirnschlag. Im chronischen Verlauf treten Durchblutungsstörungen auf, z.B. in Form einer Schaufensterkrankheit oder einer vaskulären Demenz. Die Atherosklerose stellt eine führende Ursache für vermeidbare Mortalität, Morbidität und hohen sozialen und finanziellen Folgeschäden dar. Intensive Behandlung der Risikofaktoren führt zu einer nachweislich feststellbaren Abnahme der Atherosklerose, somit zu einer Verjüngung der Arterien.
Als erste und wegweisende Studie zu den Risikofaktoren startete 1947 in Massachusetts die Framingham Heart Study. Als zentrale unabhängige und behandelbare Risikofaktoren werden heute der Nikotinabusus, die Hypercholesterinämie und der erhöhte Blutdruck akzeptiert, weitere sogenannte konditionale Risikofaktoren sind die Adipositas, der Bewegungsmangel und die Fehlernährung. Auf der Populationsebene hat die Zuckerkrankheit jedoch eine weit geringere Bedeutung als auf der individuellen Ebene 3. Entsprechend ist die Bedeutung einzelner Risikofaktoren abhängig von der Ausprägung der Risikofaktoren (z.B. sehr hoher Blutdruck, sehr hohes Cholesterin, Zuckerkrankheit) im Individuum einerseits und der Häufigkeitsverteilung dieser Risikofaktoren in der Gesellschaft andererseits. Man unterscheidet deshalb neben dem individuellen Risiko das Risiko eines Risikofaktors, welcher einer Population zuzuordnen ist („population attributable risk, PAR“). In der Interheart Studie konnte anhand von Beobachtungen in 52 Ländern festgestellt werden, dass der PAR für Lipidstörungen mit 55% am höchsten war, gefolgt vom Rauchen (PAR 44% bei den Männern) und dem erhöhten Blutdruck (PAR 36% bei den Frauen). Für die Schweiz konnte die VARIFO anhand einer praxisbasierten Untersuchung ebenfalls feststellen, dass die Lipidsenkung am meisten Risikosenkung beinhalten würde, gefolgt vom Nikotinstop und der Senkung eines erhöhten Blutdrucks. Auf der individuellen Ebene sind vor allem erhöhte LDL Cholesterinwerte mit einem höheren Potential, das Risiko für Herz- und Hirnschlag zu senken, verbunden. Eine kürzlich durchgeführte dreiteilige Studie hat deshalb getestet, ob bei über 10‘000 Personen mit nur mässig erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse über mehrere Jahre die Behandlung des Risikofaktors Cholesterin in der Primärprävention, also bei (noch) Gesunden sinnvoll ist. Dabei konnte gezeigt werden, dass nur mit einer Senkung des LDL Cholesterins, jedoch nicht mit einer Blutdrucksenkung über 5.6 Jahre Beobachtungszeit statistisch signifikant weniger Hirn- und Herzschläge auftraten. Diese und frühere Studien führten zu einer wegweisenden Übersichtsarbeit (CTT Metaanalyse), welche von 28 weltweit führenden Experten erstellt wurde und zum Schluss kam, dass das Risiko der Lipidsenkung mit Statinen weit niedriger ist als der Nutzen betreffend der Verhinderung von kardiovaskulären Komplikation der Atherosklerose . Eine im November 2016 im Auftrag der US Gesundheitsbehörde durchgeführte Metaanalyse zeigte bei rund 70’000 Patientinnen und Patienten eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit (Mortalität) um 16% nach 4 Jahren Primärprävention, was bedeutet, dass mit Statinen 71 Personen während 10 Jahren behandelt werden müssen, um ein Leben zu retten. Bei den heutigen Generikakosten von rund 50 Rappen pro Statin und Tag kostet demnach ein gerettetes Leben rund 130’000 Franken. In der Metaanalyse wurde aber auch berechnet, dass nur 29 Personen während 10 Jahren behandelt werden müssen, um ein kardiovaskuläres Ereignis zu vermeiden. Dies wäre somit zu Kosten von rund 50’000 Franken zu erreichen.
In den neuen Europäischen Richtlinien zur Behandlung der Atherosklerose wird deshalb empfohlen, erhöhtes Cholesterin auch bei niedrigem Risiko zu behandeln oder zumindest diese Option mit den Patientinnen und Patienten zu besprechen. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Statinintervention betreffend Kosteneffizienz auch bei nicht hohem Risiko in der Primärprävention hervorragend ist.
Somit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass eine Senkung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere Herz- und Hirnschlag, aber auch vermeidbare Interventionen wie aortokoronarer Bypassoperation oder Stent-Implantation in den Herzkranzgefässen auch bei Gesunden wirkt und kosteneffizient ist, bei vergleichsweise geringer Nebenwirkungsrate und jeweils praktisch immer reversiblen Nebenwirkungen nach Absetzen der Statine. Damit haben erhöhte Lipidwerte eine erstrangige Rolle für die Schädigung der Volksgesundheit durch kardiovaskuläre Ereignisse, noch höher als dies für das Rauchen und den Blutdruck gilt.
Neuere Studien zeigen zudem, dass auch die Demenz verschiedener Ursachen durch Statine erfolgreich verhindert werden können: In einer grossen Populations-basierten Studie aus Taiwan hatten vor allem mittel- und hochdosierte Statine eine Senkung des Alzheimer Risikos bis zu 70% zur Folge. Nicht nur bei homozygoten ApoE Trägern mit Alzheimer wurde zudem kürzlich gezeigt, dass eine Statinbehandlung das Demenzrisiko und die Demenzausprägung signifikant senkt. Eine grosse US Amerikanische Beobachtungsstudie konnte zudem zeigen, dass sowohl Männer als auch Frauen, welche regelmässig über Jahre Statine einnahmen, ein 20% reduziertes Alzheimer-Risiko aufwiesen (electronic table 1). Mit hoher Wahrscheinlichkeit senken Statine zudem auch das Auftreten einer vaskulären Demenz.
Seit über 2000 Jahren kennt die Chinesische Medizin den gesundheitlichen Nutzen der roten Hefe, insbesondere zur Verbesserung der Blutzirkulation, da darin ein Statin enthalten ist. Eine entsprechende Formulierung wurde in einer doppel-blinden randomisierten Studie nach Herzinfarkt eingesetzt und zeigt eine Senkung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse von rund 50% gegenüber Placebo. Merck entwickelte das erste Statin aus dem Pilz Aspergillus terreus. Es handelt sich dabei um Lovastatin, welches ebenfalls in der roten Hefe (monascus purpureus) vorhanden ist. Den medizinischen Durchbruch erfuhren die Statine schon 1994 mit Simvastatin in der 4S Studie bei mehrheitlich Personen in der Sekundärprävention, also nach Herzinfarkt. Seither entwickelten sich die Statine zur am besten untersuchten Medikation in der Medizin.